Do, 18. Januar 2007, 15:54 - 23:25 Uhr

Sturmschäden - Orkan Kyrill (und sonstiges...)

Stadtgebiet

17 Einsatzkräfte, HLF, TLF, LF

 

Baum auf Auto - Berliner Straße, HLF
Baum auf Kindergarten - Berliner Straße, LF
Lose Dachziegel - Rudolstädter Straße, MTW, HLF
Baum auf Straßenbahnoberleitung - Vilniuser Straße, HLF
Baum auf Auto - Tannenstraße, LF, TLF
Umgestürzte Ampel - Riethstraße, HLF
Lose Dachziegel - Huttenstraße, HLF
Lose Dachziegel - Gneisenaustraße, LF, TLF
Lose Dachziegel - Paulstraße, HLF
Brand Gasflasche - Melmwiese, TLF, LF
Lose Dachziegel - Weimarische Straße, HLF
Lose Dachziegel - Nonnenrain, TLF
Bäume auf Kindergarten - Friedrich-Ebert-Straße, HLF, TLF
Baum auf Pkw - Spittelgartenstraße, HLF
Brandmeldeanlage - Klinikum, HLF

 

 

Mit der Drehleiter am Kindergarten Berliner Straße:

 

Thüringer Allgemeine Online vom 20.01.2007:

 

Über 180 Stundenkilometer

LANDESHAUPTSTADT. Früher Donnerstagabend in der sonst noch lebhaften City: leer gefegte Straßen und Plätze, früher geschlossene Läden, immer wieder Sirenengeheul von Blaulichtfahrzeugen. Orkantief Kyrill sorgte für ein Flair, das an eine Geisterstadt erinnerte.Das ganze Ausmaß war aber erst gestern überschaubar. "Das Allerwichtigste ist, dass es keine Verletzten gab", resümierte Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD). Dennoch hinterließ das Unwetter vor allem in der Innenstadt vielfach Spuren. Allein an 73 kommunalen Objekten, darunter 36 Schulen, entstand ein Schaden von geschätzten 260 000 Euro, gab Hoch- bauamtsleiter Karl Mülders bekannt. Am schlimmsten habe es die Schule in Stotternheim erwischt. "75 Prozent des Flachdaches samt Dämmung und Solaranlage landeten auf dem Hof." Die Reparaturkosten werden mit 45 000 Euro beziffert. Nicht viel weniger sind es beim Schweitzer-Gymnasium im Rieth. "Den Glaseingang hat es hochgehoben und beim Aufsetzen zerschlagen", schilderte Mülders. "Die Stadt ist aber für all diese Schäden an Gebäuden versichert", erklärte die Finanzbeigeordnete Karola Pablich.Bis zur Auflösung des städtischen Krisenstabes um 2.30 Uhr wurden 220 Einsätze koordiniert, sagte der amtierende Feuerwehrchef Manfred Schmidt. 274 Helfer aller 24 freiwilligen Feuerwehren und das THW mit acht Leuten waren in Aktion. Die Polizeidirektion, von der Bereitschaftspolizei u. a. mit einer technischen Einheit unterstützt, hatte 91 Beamte im Einsatz.Eine Bestandsaufnahme:Kurz vor Mitternacht schloss Andreas Bausewein (SPD) seine Amtsstube im Rathaus ab, nachdem er sich zwei Mal im Krisenstab über die Lage informiert hatte. Sein Handy ließ er die ganze Nacht an. Als der OB im Frühstücksfernsehen die Sturmbilder aus Deutschland sah und mit Feuerwehrchef Manfred Schmidt telefoniert hatte, dachte er nur: "Mensch, wir haben ganz schön Glück gehabt."Neben der städtischen Schadensbilanz wartete die Polizei mit einer weiteren aus ihrer Einsatztätigkeit auf: 14 lädierte Autos und Kleintransporter, darunter ein Funkstreifenwagen, je 15 umgestürzte Bäume und kaputte Hausdächer.Im Forstamt Arnstadt, zu dem auch der Steiger gehört, gingen 10 000 Festmeter (mþ) Holz zu Bruch. Das ist ein knappes Drittel der Menge, die das Amt üblicherweise im Jahr schlägt und vermarktet. Den geplanten Holzeinschlag werde man jetzt einstellen und das Bruchholz schleunigst verarbeiten, so Forstamtsleiter Volker Gebhardt. "Zumeist fielen Einzelbäume, fast alles Fichten." Im Steiger waren gestern Waldarbeiter damit beschäftigt, Straßen und Wege freizuräumen. Spaziergänger werden um erhöhte Vorsicht in den nächsten Tagen gebeten, da sich abgebrochene Äste in Baumkronen verfangen haben und abstürzen könnten.Im Windpark Möbisburg wurde gegen 20 Uhr in 65 m (Nabenhöhe) Spitzenböen von 184 Stundenkilometern gemessen. Das Bistum verzeichnete Schäden an über 50 Gebäuden und schätzte die Summe auf 80 000 Euro. Am schlimmsten traf es den Dom. "Der Sicherheitsdienst informierte uns 23 Uhr, dass ein Kupferblech im Innenhof liegt", erzählte Andreas Gold, Leiter des Dombauamtes. "Es lag wie zusammengeknülltes Papier direkt vor den Bischofsgräbern." Kurz darauf flatterte eine weitere Lage weg. Die Ausbesserung der 60 mý großen Fläche werde wohl 30 000 Euro kosten. Zoomitarbeiter fingen gestern Vormittag auf einem Balkon am Roten Berg eine Pfauenhenne ein. Das Tier hatte in der Nacht vergeblich versucht, sich auf dem hohen Schlafbaum im Zoo zu halten. Es wurde regelrecht weggepustet und überstand die unfreiwillige Reise unverletzt.Nach einem Stromausfall waren 100 Haushalte und die Milchviehanlage in Mittelhausen die Nacht über ohne Strom. Erst am Vormittag um 10.15 Uhr war das Problem behoben.Am Airport fiel kein einziger planmäßiger Flug dem Wind zum Opfer. Doch nicht allen war das Wetter geheuer. "Viele haben abgesagt", berichtete Jens Thümmel. So hob der Kapitän der Luftfahrtgesellschaft Walter 16.30 Uhr nur mit acht Passagieren nach Hamburg ab. "Die, die mitgeflogen sind, waren erstaunlich entspannt. Autofahren war zu dieser Zeit eindeutig gefährlicher", meinte Co-Pilot Gyuri Szebeni. Der Wind sei gar nicht so schlimm gewesen, vielmehr die nicht vorhergesagte Gewitterfront. "Auf der Rücktour mussten wir einen größeren Umweg fliegen", so Thümmel. 18.45 Uhr setzte die Do-228 sicher in Erfurt auf.Dagegen ging ab 19.20 Uhr am Hauptbahnhof nichts mehr. An den Bahnsteigen parkten fünf Züge, vom ICE bis zum Nahverkehrszug. Die Gefahr umstürzender Bäume oder reißender Oberleitungen sei einfach zu groß gewesen, teilte Bahnsprecherin Brit Ulrich mit. "Etwa 800 Reisende waren betroffen. Sie zeigten sich aber ruhig und verständnisvoll." Die Pächter in der Ladenpassage hätten sofort reagiert und ihre Öffnungszeiten bis Mitternacht verlängert. Der erste Zug rollte wieder um 7 Uhr. "Wir rechnen aber noch bis Samstagvormittag mit Unregelmäßigkeiten", so Ulrich.Das Krisenmanagement der Stadtverwaltung habe funktioniert, waren sich OB und Feuerwehrchef einig. An allen acht Pulten in der Leitstelle des Gefahrenschutzzentrums sei eifrig gekurbelt worden, an sechs nur wegen des Sturms. "Zum Glück ist es für den Rettungsdienst relativ ruhig geblieben", war nicht nur Manfred Schmidt froh.

Jörg HEISE  19.01.2007

 

Thüringische Landeszeitung Online vom 20.01.2007:

 

Nach dem Sturm: Kein einziger Verletzter!

Erfurt. (tlz) Aufatmen nach dem Sturm: Es gab keine Verletzten, weder bei den Einsatzkräften, noch in der Bevölkerung. Nicht die kleinste Unfallmeldung ging ein. Man habe unwahrscheinliches Glück gehabt, erklärte Manfred Schmidt, der amtierende Leiter der Erfurter Feuerwehr. Vor allem, was das Dach des ehemaligen Druckhauses am Juri-Gagarin-Ring betrifft. Schmidt: "Dort hätte es Tote geben können!" Denn gegen 20.30 Uhr wurde dort ein großes Dachstück gelöst und über die Straße in das Dach des gegenüber liegenden Gebäudes geschleudert. Zum Glück war die Straße menschenleer, die Gebäude unbewohnt. Bis 3 Uhr musste der Verkehr umgeleitet werden, um die Trümmer zu beseitigen.
Erstmals betroffen war auch die Krämerbrücke, auf deren Pflaster es Dachziegel regnete. Auch sie musste komplett gesperrt werden - bis Freitagmittag waren alle Schäden beseitigt, konnte die Absperrung wieder eingerollt werden. Ebenso langwierig war der Einsatz auf dem Petersberg, wo vom Dach der Peterskirche auf beiden Seiten Ziegel abgedeckt wurden. Hier wurde nicht nur gesichert, hier sorgte die Feuerwehr auch für eine Notreparatur, da es wertvolle Kunstgüter zu schützen galt. Einer der letzten großen Schäden während des Sturms wurde gegen 23.40 Uhr vom Dom gemeldet: Zwei 20 Quadratmeter große Kupferabdeckungen wurden vom Dach des Langhauses getrennt und in den Kreuzgang geschleudert.

"Wir haben eine Menge Glück gehabt"

Auch einige Schulen hat es getroffen. Am schlimmsten die von Stotternheim, in der am Freitag kein Unterricht möglich war. Gleiches galt für die Europaschule, die 50 Quadratmeter ihres Daches einbüßte. Zum Gutenberg-Gymnasium musste die Feuerwehr gleich zweimal ausrücken. Erst um das Dach zu sichern und später noch einmal, als die etwas dünneren Fensterscheiben nach gaben, die für den Notfall, für den Fall einer Verrauchung eingebaut wurden.
Die Innenstadt habe es am meisten getroffen. Überland gab es neben der Schule in Stotternheim nur größere Einsätze am Ikea-Möbelhaus (die TLZ berichtete) und im Gewerbegebiet Kerspleben, wo das Dach eines Glaskontors abgedeckt wurde. Die Sorge galt eher der Stromversorgung. Gegen 17.15 Uhr ging im gesamten Landkreis Sömmerda das Licht aus, 20.30 Uhr sorgte ein Freileitungskurzschluss dafür, dass auch in Mittelhausen, Tiefthal und Friedrichsdorf der Strom weg blieb. Im Tiefthal konnte der Schaden bis 22 Uhr repariert werden, Mittelhausen wurde ab 23 Uhr durch ein Notstromaggregat versorgt. Lediglich die Kühe der Agrar-Genossenschaft mussten bis Freitag ohne Strom ausharren. Bis Freitagmittag hatten auch die 60 Haushalte im Asternweg wieder Strom, die am Donnerstag abgeschaltet wurde, weil ein Baum drohte, auf die Freileitung zu stürzen.
Gestern wurden die meisten der Sturmschäden durch die Feuerwehr gesichert. Auch die Schäden, die in der Dunkelheit bislang geblieben waren. Bis Freitag um 12 Uhr waren es insgesamt 260 Einsätze. Wobei die Dachschäden dominierten, weit vor umgestürzten Bäumen. Um deren Beseitigung kümmerten sich in der Nacht zum Freitag inagesamt 358 Einsatzkräfte. Neben der 60-köpfigen Schicht der Berufsfeuerwehr alle Freiwilligen Feuerwehren mit 284 Kameraden, das Technische Hilfswerk Erfurt war mit im Einsatz und der Technische Dienst der Bereitschaftspolizei. Nie zuvor gab es in der Geschichte der Landeshauptstadt innerhalb von 24 Stunden derart viele Einsätze mit so vielen Beteiligten. Letztmals derart stürmisch war es Weihnachten 2005. Da war aber in drei Stunden der Spuk vorbei - die "Nachwehen" von "Kyrill" werden die Erfurter noch länger beschäftigen.
Besonders bewährt habe sich das Krisen-Management, das im Gefahrenschutzzentrum vereint wurde. Nicht nur Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst habe man dort vereinigt, auch Ordnungsamt, Hochbauamt, Jugendamt. Stadtwerke, EVAG und Statiker wurden zugezogen. Man wollte für alle Notfälle gerüstet sein - und war es. Alle acht Pulte im "Tower" des Gefahrenschutzzentrums waren besetzt, bis der Krisenstab gegen 2 Uhr aufgelöst wurde.
Vorsichtige Schätzungen sprechen von einem Gesamtschaden von über einer Million Euro. Fest stehen bislang nur die der 73 Einsätze, die die Gebäude der Stadt, Schulen und andere Gebäude betrafen - mit etwa 260000 Euro.
Zu den Überbleibseln, die "Kyrill" in Erfurt hinterlassen hat, gehören für einige auch lange Stunden auf dem Hauptbahnhof. Denn am Donnerstag blieben am Abend alle Züge stehen. Auf Tee und Decken, wie sie Bahnchef Mehdorn in Berlin verteilen ließ, mussten die in Erfurt Gestrandeten allerdings verzichten. Sie durften dafür in beheizten Abteilen warten auf "unbestimmte Zeit", wie es ihnen aus den Lautsprechern erklärt wurde. Für einen Stadtbummel bot sich das Wetter nicht an. Der Vollständigkeit halber: Es gab auch einen "normalen" Feuerwehreinsatz in der Sturmnacht. In der Lowetscher Straße hat ein Bewohner sein Essen anbrennen lassen. Der Rauch soll sich "relativ schnell wieder verzogen" haben...

19.01.2007 Von Hartmut Schwarz