Sa, 02. August 2003 20:40 - 01:00

Ammoniakfreisetzung

 

Milchhof

11 Einsatzkräfte, HLF, GW-Dekon

 

Durch einen Defekt in einer Rohrleitung trat in einem Gebäude des Milchhofs Erfurt Ammoniak aus und gelangte auch ins Freie.

Dies war unser erster Einsatz mit der DekonP-Anlage für den Gefahrgutzug. 2 Trupps unter Chemikalienschutzanzügen wurden dekontaminiert.

Zusätzlich stellten wir noch einen Trupp, der unter Atemschutz die Schadenstelle nach den Sicherungsmaßnahmen der BF kontrollierte.

 

 

Thüringische Landeszeitung 04.08.2003

 

TLZ

 

 

Quelle: Thüringer Allgemeine Online 04.08.2003

 

Ammoniak-Alarm nach Havarie in Milchwerken

Es sollte ein ruhiger Garten-Abend werden. Als Karl-Heinz Hartenstein (64) gegen halb neun auf die hochstämmigen Johannisbeeren schaute, ragten plötzlich nur noch die Spitzen aus einer Nebelwalze, ein stechender Geruch breitete sich aus.
Der beherzte Mann reagierte sofort - ebenso wie Gartennachbar Peter Börner. Beide arbeiteten früher in der Optima und hatten dort mit Chemikalien zu tun. Der Schleier, der sich über die Gärten legte, der beißende Geruch, tränende Augen, Luftnot - "uns war schnell klar, dass es sich nur um eine Havarie mit Ammoniak handeln konnte." Zudem fiel ihnen sofort der schwere Unfall an der Pförtchenbrücke Anfang der achtziger Jahre mit dem Ammoniak-Transporter, mit Toten und Verletzten ein. Die Männer hielten sich Tücher vor die Gesichter, warnten die Nachbarn. "Glücklicherweise waren viele Gärten leer, weil die Leute im Urlaub sind." Karl-Heinz Hartenstein wählte die 112, meldete die Havarie. "Die sagten mir, ich solle die Polizei anrufen", wundert er sich. Kopfschütteln auch bei Sieglinde Börner. Sie war zum Pförtner der Milchwerke gerannt, rief "Hier ist was nicht in Ordnung." Der Mann habe genickt, "hinter ihm an der Wand leuchteten rote Warnlichter. Doch es war kein Notruf abgesetzt", sagt sie frustriert.
Dafür habe die Polizei professionell agiert, sei sehr schnell vor Ort gewesen."Alle rauf auf höher gelegenes Terrain", hieß es, denn in der Senke konzentrierte sich das Gas. Das Gelände wurde abgesperrt. Lautsprecherdurchsagen folgten. Insgesamt 160 Kleingärtner wurden evakuiert. "Viele von uns dachten, es ist nur eine Übung", so ein Gartenfreund. Für Karl-Heinz Hartenstein und Sieglinde Börner ging es sofort ins Krankenhaus, der Notarzt ließ nicht mit sich verhandeln. "Dort haben sie uns durchgecheckt, die ganze Nacht die Werte kontrolliert", sagt er. Gestern morgen ließen sie sich entlassen, doch besonders Frau Börner hatte noch arge Probleme mit der Atmung.
Laut Feuerwehr, die Löschzug und Gefahrgutzug schickte und die Freiwillige Wehr Dittelstädt zusätzlich einsetzte, war Ammoniak durch eine geplatzte Gummimanschette im Kühlsystem der Milchwerke ausgetreten - im Kellerbereich an einem Wärmetauscher. Es sei mit Wasser gebunden worden, der Abschnitt wurde abgeschiebert. Die Produktion der Milchwerke war nicht betroffen. Zwei Mitarbeiter der Milchwerke wurden ärztlich behandelt. Mit Verweis auf die im und am Gebäude gemessenen Konzentrationen sagte gestern Einsatzleitdienst Jörg Henze: Es bestand keine Gefahr für die Bevölkerung.
Die sieht das vermutlich anders. Und auch die Bewohner der nahe gelegenen Siedlung haben Fragen. Der beißende Geruch flog auch zu ihnen, sie schlossen sicherheitshalber Fenster und Türen. Doch sie wurden weder vom Beginn des Einsatzes und seinen Ursachen informiert noch von der Entwarnung kurz vor 23 Uhr. "Ich habe an diesem Abend sehr viel telefoniert", sagt ein Anwohner. Und Peter Börner bekam einen dicken Hals, als ein Feuerwehrmann einen Polizisten fragte: Warum machen die darum so einen Aufwand? Er denkt an die Gartennachbarn, die ein schwer asthmakrankes Kind haben, das nur zufällig nicht im Garten war, weil sich die Familie in der höher gelegenen "Erdbeere" einen Eisbecher gönnte. Und an die Nachbarskinder, die eigentlich im Zelt übernachten wollten. Was, wenn die Manschette nachts geplatzt wäre?
"Leider war von den Milchwerken niemand da, der wenigstens mal nachgefragt hätte", ärgern sich die Gartenfreunde. Unter der Bereitschaftsnummer ertönte gestern pausenlos das Besetztzeichen. Birgit KUMMER

03.08.2003